Hartmut Jahn * 1955 Blickachse im Branitzer Park, Fotografie auf Aludibond, 240 x 120 cm
THE ARTISTS
Michael Schackwitz * 1956
Max, Henri and me
Öl auf Leinwand, 250 x 250 cm
Hartmut Jahn * 1955
Blickachse im Branitzer Park
Fotografie auf Aludibond, 240 x 120 cm
Gerald Uhlig - Romero * 1953
Flamingo
Mischtechnik, 100 x 70
Homo Sapiens
Mischtechnik, 100 x 70
Teil des Schwarms
Mischtechnik, 100 x 70
Vernissage:
Donnerstag, den 12.01.2017 um 19 Uhr
im Tietz & Cie. Potsdamerstr. 77 10785 Berlin
Ausstellung:
vom 13.01 bis zum 30.04.2017
Öffnungszeiten Mo - Sa: 8.00 - 18.00 Uhr
im Tietz & Cie. Potsdamerstr. 77 10785 BerlinKuratorinLlane Fragoso Maldonado
Kontakt: Llane.Fragoso@fu-berlin.deWerke und Künstler
DE Ein Zitat aus Luc Bessons Film „Das fünfte Element“ (1997), in dem das Böse nur durch das Zusammenspiel von fünf Elementen besiegt werden konnte. Feuer, Wasser, Erde, Luft und als fünftes Element eine Frau, deren Wirkungskraft erst durch die Liebe aktiviert wurde. Diese wenden im letzten Moment den Untergang der Menschheit ab. Eine Storyline, die das alte Testament zu konterkarieren versucht. Dort geht auf das Zusammenspiel einer Frau, einer Schlange und eines Apfels der Verlust des Paradieses zurück. Der Apfel machte wenigstens auch den Menschen kreativ, - und der erste Biss machte Appetit auf mehr. Dass sich am Ende Beatles’ Apple Corps. und Jobs’ Apple Inc. um Name und Symbol rauften, konnte sich keine Götterwelt ausdenken sondern nur der Mensch. Vom Greenhorn zum Genie.
Grün wie ich dich liebe, grün. Grüner Wind, grüne Zweige.
Mit dieser Liebeserklärung beginnt Federico García Lorca sein Gedicht Somnambule Romanze (1928). In diesem wird das Wort Grün das Leitmotiv mit einer ambivalenten Bedeutung, die sich mit Lorcas homosexuellem Begehren in Verbindung bringen lässt, aber vielleicht doch auch mit der Sehnsucht, sich in Einklang mit der Natur zu befinden bzw. die eigene Natur zu leben.
Die Kraft der Natur und ihre Verknüpfung mit der grünen Farbe ist als ein wiederkehrender Topos so alt wie die Zivilisation. Die Pflanzen enthalten Chloropyll als Naturfarbstoff, sind grün, wenn sie jung sind, ihre Verfärbung Richtung Gelb und später Braun deutet auf ihr baldiges Absterben hin. Insofern steht die Farbe für Leben, Fruchtbarkeit und Gesundheit. Die Assoziationen enden nicht damit: Vitalität, Energie, Wiedergeburt, Regeneration, Innovation, Hoffnung und Wachstum lassen sich auch mit der Farbe verknüpfen.
In Goethes Zur Farbenlehre (1810) ist Grün die Farbe der Mitte, dem Universalgelehrten war die beruhigende Wirkung des Grüns auf das Gemüt bekannt. Alles ist dennoch eine Frage der Mischung:
„Unser Auge findet in derselben eine reale Befriedigung. Wenn beide Mutterfarben sich in der Mischung genau das Gleichgewicht halten, dergestalt, dass keine vor der andern bemerklich ist, so ruht das Auge und das Gemüt auf diesem Gemischten wie auf einem Einfachen. Man will nicht weiter und man kann nicht weiter. Deswegen für Zimmer, in denen man sich immer befindet, die grüne Farbe zur Tapete meist gewählt wird.“
Ob die von Goethe erwähnte Gewohnheit, die vier Wände in Grün zu tapezieren Napoleon zum Verhängnis wurde, wird nicht zu beweisen sein. Einer Vermutung nach soll Napoleons Todesursache einer sukzessiven Vergiftung durch das arsenhaltige Schweinfurter-Grün, seiner Lieblingsfarbe, geschuldet sein, mit er sein Anwesen auf St. Helena ganz tapezieren ließ.
Ohnehin macht Grün weiter Schlagzeilen. Pantone, das Farbforschungsinstitut mit Sitz in New Jersey, erklärte die Farbe Greenery, eine bestimmte Mischung aus Blau und Gelb zur Farbe des Jahres 2017. Auch wenn sich das Erküren einer Farbe als Marketingknaller leicht entpuppen lässt, ist dieses keineswegs willkürlich. Neun Monate im Jahr sollten die Scouts des Instituts auf aller Welt die Trends in Kunst, Mode, Ernährung, Film usw. akribisch unter die Lupe nehmen, um festzustellen, mit welcher Farbe sich am besten der Zeitgeist definieren lässt. Der wilde Tanz eines Models bekleidet nur mit einem grünen Traumkleid in einem Video von Spike Jones für die Marke Kenzo, das mit mehr als fünf Millionen Anrufen auf Youtube ein virales Phänomen war, könnte ja für die Scouts ein überzeugendes Argument gewesen sein.
Serenity und Rose Quartz waren die Farben 2016, einem Jahr, an dem die Welt in allen Bereichen aus den Fugen zu geraten schien. Ihre Auswahl spiegelte das Bestreben nach Harmonie. Doch die Ordnung auf dieser Welt ist noch nicht lange wiederhergestellt geworden und Greenery, klassifiziert im Pantone-System mit der Codenummer 10-0343, ist der neue Trend. Leatrice Eisemän, Geschäftsführerin des Instituts erklärt:
„'Greenery' ist ein Symbol für die aufkeimende Sehnsucht nach neuer Hoffnung in einem komplexen sozialen und politischen Umfeld. 'Greenery' symbolisiert unser wachsendes Verlangen nach einer erneuerten Verbindung und Einheit mit der Natur und unseren Mitmenschen.“ Grün vor Neid
– das wird eine andere Grün-Nuance gewesen sein, Codenummer noch offen.Von Grün werden wir also nie satt.
Nichts ist folgenlos. Und wer lange genug auf Grün starrt, sieht irgendwann rot auf dem unschuldigsten Weiß. Denn wo Grün ist, ist auch Rot. In den Adern der Pflanzenwelt fließt auch Blut. Chlorophyll und Hämoglobin sind Blutsverwandte.
In der Ausstellung im Tietz & Cie. setzen sich Hartmut Jahn, Michael Schackwitz und Gerald Uhlig-Romero mit der Farbe und ihren Abstufungen und Schattierungen mit unterschiedlichen bildnerischen Mitteln auseinander.
Michael Schackwitz' Bild „Max, Henri an me“ stellt einen Tagtraum in Grün dar. Ein wilder Dschungel, der nahezu allein durch anthropoforme Silhouetten gestaltet wird. Bei näherer Betrachtung weiß man jedoch nicht, ob diese durch die Rundungen ihrer sekundären Geschlechtsmerkmale als weiblich erkennbare Figuren der pflanzlichen Welt zugehören oder diese eher bevölkern. Die Grenzen zwischen Pflanzen- und Tierwelt werden aufgehoben, vielleicht als Andeutung eines verlorenen Paradieses. Die konstante herrschende Schlangenlinie erzeugt die Illusion einer sanft welligen Bewegung, die einer aquatischen Umgebung eigen ist. Der Ort ist nicht nur der Lebensraum für phantastische Wesen sondern auch für alle Tiergattungen. Wie der Titel andeutet, ist das Bild als eine Hommage an Max Ernst und Henri Rousseau entstanden.
Hartmut Jahns Fotografie Blickachse im Branitzer Park bietet den Garten als Beispiel hochzivilisierten Verhältnisses zwischen Mensch und Natur. Hermann von Pückler-Muskau (1785-1871), unermüdlicher Landschaftsarchitekt und daher auch bekannt als der grüne Fürst, konzipiert den Park als Landschaftsgarten, dessen Grundkonzept im Gegensatz zum stark geometrischen Zwang des Barockgartens steht. Der Verschuldung entkommen durch Verkauf des Muskauer Parks beginnt er mit sechzig Jahren erneut in Branitz bei Cottbus Bäume und Erdreich zu transportieren, ab 1850 Pyramiden zu entwerfen und die Blickachse vom Hermannsberg über die Schlangenseebrücke zur Landpyramide anzulegen. Der Landschaftsgarten, der sich mit der bei Adligen verbreiteten Sehnsucht nach dem mythischen Arkadien in Verbindung bringen lässt, strebt in seiner Künstlichkeit an, als eine natürliche Landschaft zu wirken.
Dieses Spiel mit dem Scheinbar wird weiter auf die Fotografie übertragen. Das Panorama zeichnet sich durch die Abdeckung eines großen runden (360°) oder auch halbrunden (180°) Betrachtungswinkels aus. Jahns Fotografie deckt ca. 180 Grad ab, im stitching wird die Fotografie aus mehreren Einzelaufnahmen auf eine ebene Fläche zusammengesetzt. Auf diese Weise gibt das Bild der Blickachse eine verdichtete Landschaft wieder, die zwar existiert, jedoch nicht in der Form, wie sie das Auge vor Ort erfassen könnte.
Mit Flamingo, Homo Sapiens und Teil des Schwarms greift Gerald Uhlig-Romero die Collage-Technik auf. Schattenrisse von Tieren, menschliche Körperteile, Geräte und Masken werden auf Zeitungsausschnitte, Papierfragmente und die geliebten Berliner Knöllchen gezeichnet, die Figuren die sich auf einem grünen Hintergrund erheben, bleiben selbst farblos. Die Materialität des Bildträgers kommt zur Geltung und wird zum Sediment, in dem die noch entzifferbaren tagesaktuellen Horrornachrichten vor dem archaischen Tableau, das selbst aber auch schon etwas angefressen erscheint, nichtig und klein wirken.